Und täglich grüßt die Filterblase…

Und täglich grüßt die Filterblase…

Morgens, 6.10 Uhr in der Küche. Griff zur Kaffeekanne – dann: Tablet an – Facebook, was gibt´s Neues? Jede Menge:
Freunde haben Fotos von ihrem Surfurlaub am anderen Ende der Welt gepostet. Vor Lampedusa treibt ein Flüchtlingsschiff mit etlichen Flüchtlingen, darunter Babies. Bilder von verendeten Seevögeln mit Kunststoff im Bauch. Das neue Haus von Freunden ist fertig gebaut. Die letzte Party von Bekannten war anscheinend großartig. Weitere Surfbilder – tolle Wellen in Indo gescored. Syrische Flüchtlinge vegetieren in jordanischen Flüchtlingscamps dahin. Die Erdbebenopfer in Nepal leiden noch immer.

Puhh… krasse Infos – und das alles vor dem Frühstück. Ich bin hin- und hergerissen zwischen „meiner“ heilen Welt und der schlimmen Welt und den Elend da draußen, gegen das man als Einzelner so nichts tun kann. Oder doch? Ich grüble…Komme nicht weiter. Sollte Frühstück vorbereiten. Grüble nebenher weiter.

Gut geht es mir dabei nicht. Was tun? Umschalten, weg von oftmals kaum recherchierten, oberflächlichen oder extrem reißerischen Artikeln zu etwas Soliderem.
Ich schaue mal zu meiner Tagesschau-App. Ich soll mir meine Art der News seit Neuestem selbst zusammenstellen. Soll selbst entscheiden, welche Kategorie mich interessiert. Hatte ich nicht diese App installiert, weil ich eben nicht selbst entscheiden will, welche News ich bekomme? Weil ich nicht kategorisiert und in Schubladen eingeteilt werden möchte? Weil ich der Tagesschau-Redaktion als Organ eines öffentlich-rechtlichen Senders bei der Auswahl ihrer News vertraut habe. Auch mal News mitbekommen habe, die ich selbst vielleicht sonst nie zu Gesicht bekommen hätte.

OH weh…auch hier grüßt die Filterblase…
Ziehen die Öffentlich-Rechtlichen jetzt mit bei diesem Hype zur Personalisierung? Muss das so heutzutage?
Muss ich, um dem zu entkommen, tatsächlich tägliche mehrere Zeitungen lesen und auf mehreren News-Sendern die Nachrichten aus aller Welt schauen? Wo finde ich im global vernetzten Internet „DIE“ Wahrheit? Gibt es die denn überhaupt?
Ist dieses Phänomen denn wirklich neu, oder fällt es uns heute einfach mehr auf? Vor Jahren konnte ich in Marokko im englischsprachigen AlJazeerah die für mich, die ich mit deutschen Medien aufgewachsen ist, völlig andere Sichtweise des Israel-Konflikts – eben aus der Sichtweise der Palästinenser- sehen. Hatte Mir die deutsche Berichterstattung diese Seite vorenthalten? War das bewusst? Werden wir überhaupt umfassend informiert? Wer bestimmt, was wir sehen? In wessen Hände genau legen wir diese Verantwortung?

Heißt Selbstverantwortung also die Verpflichtung, sich umfassend global zu informieren, etliche Quellen zu vergleichen und meine Wahrheit herauszufiltern?

Und was bedeutet das für mich als Lehrerin? Wir sollen den Kindern und Jugendlichen beibringen, gefundene Infos nicht blind zu übernehmen, sondern anhand anderer Quellen zu überprüfen. Puhhh…das ist eine echt schwierige Aufgabe – sind damit doch wir Erwachsene bereits überfordert mit der unendlichen Weite des Internets…

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